In den kalten Morgenstunden, wenn das erste Licht die gezackten Bergkämme in flammendes Rot tauchte, stand sie dort – reglos, wie in den Stein gemeißelt. Die Klinge auf ihrem Rücken schimmerte matt, von Kampfnarben gezeichnet, doch immer noch tödlich wie am ersten Tag. Ihre Augen, scharf und unnachgiebig wie die Spitzen der Berge selbst, blickten hinab ins Tal, wo Rauchfahnen vom letzten Angriff noch in die klare Luft stiegen.
Man kannte sie als die Drachentöterin – ein Name, der in den Tavernen mit ehrfürchtigem Flüstern ausgesprochen wurde, wenn die Wunden alter Geschichten zu pochen begannen. Doch nur wenige kannten die Wahrheit hinter ihrem Pfad des Blutes. Einst war sie eine Tochter der Nordlande, Teil eines stolzen Clans, dessen Dorf in einer einzigen Nacht von Feuer und Flügeln verschlungen wurde. Der Anblick von schuppigen Ungetümen, die in purpurnen Flammen tanzten und Menschenleben zerfetzten, hatte sich unauslöschlich in ihr Herz gebrannt.
Als die Asche sich legte und die Rufe der Verwundeten in die Nacht verklangen, blieb nur sie übrig – ein verwaistes Kind mit geschwärzten Händen, umklammert von Wut und Trauer. Die Erinnerung an die schimmernden Schuppen und die glühenden Augen des Drachen, der ihre Heimat in Schutt und Asche legte, verfolgte sie bis in ihre Träume. Doch aus der Asche wuchs nicht nur Schmerz, sondern auch eine brennende Entschlossenheit.
Sie lernte zu kämpfen – nicht wie die Krieger der Reiche, sondern wie eine Jägerin. Ihre Bewegungen wurden geschmeidig und präzise, ihr Geist von der Unbeugsamkeit des Stahls durchdrungen. Sie studierte die alten Lieder der Drachen, die Märchen von Schätzen und Göttern, aber auch die wenigen Überlieferungen von jenen, die einen Drachen besiegt hatten. Die Klinge, die sie schärfte, trug die eingravierten Namen ihrer Familie, und jedes Mal, wenn sie die Waffe umfasste, spürte sie die Last der Rache in ihren Händen.
Und so zog sie von Dorf zu Dorf, folgte den Geschichten von geflügelten Ungeheuern, von verbrannter Erde und geschwärztem Himmel. Ihre Schritte waren leicht, doch ihr Ruf eilte ihr voraus – die Kriegerin mit den Augen des Zorns und dem Herzen aus Stahl. Die wenigen, die es wagten, ihr ins Gesicht zu sehen, fanden eine Frau vor, die mehr einem scharfen Messer als einem Menschen glich: schmal, zäh und mit einem Blick, der Funken auf Stein schlagen konnte.
Doch mit jedem Drachen, den sie zur Strecke brachte, kehrte keine Ruhe ein. Stattdessen nagte die Frage an ihr, warum die Kreaturen, die sie hasste, so oft in Panik kämpften – als trieben sie selbst einer unsichtbaren Bedrohung entgegen. Noch wollte sie die Zweifel nicht zulassen, noch brannte ihr Herz nur für die Vergeltung. Aber irgendwo, tief in ihrem Inneren, begann ein leises Unbehagen zu keimen – ein Gedanke, der ihr die Gewissheit rauben könnte, für die sie alles geopfert hatte.
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